IKEA in der Rohrniederung

28.11.2013

IKEA-Vertrag: Unfreundlicher Akt

Als „unfreundlichen Akt, der Kompromisse schwieriger macht“ rügt der NABU die heutige Vertragsunterzeichnung von IKEA und der Stadt Bremerhaven. „Am Montag haben wir einen lange bekannten Verhandlungstermin mit Vertretern von IKEA und der Seestadt“, erklärt NABU-Geschäftsführer Sönke Hofmann, „dabei kann es jetzt nur noch darum gehen, alle oder gar keine NABU-Forderung zu erfüllen. In beiden Fällen wäre unter fairen Verhandlungspartnern eine vorherige Information üblich.“

Als „bitter“ bezeichnet der Naturschutzverein die Situation, dass ausgerechnet ein rotgrüner Magistrat die Bebauung in einem Landschaftsschutzgebiet zulässt. Bei den Sozialdemokraten habe sich da nichts verändert, Hoffnungen hatte Hofmann in die Grünen gesetzt und fühlt sich getäuscht: „Die ehemalige Umweltpartei in Bremerhaven wirft ihre Gründungsideale über Bord, um als willfähriger Partner auch eine schwarzgrüne Option zu haben.“

Die Rohrniederung verliere durch die IKEA-Bebauung ihren Status als national bedeutsames Brutgebiet, so der NABU. Zudem droht von Loxstedter Seite eine Folgebebauung, die dann die Niederung weiter einschnüre. „Heute ist ein schwarzer Tag für Bremerhavens Natur, die Naherholung und den Einzelhandel in der Innenstadt“, schließt der NABU.


24.08.2013

Der NABU beantwortet die wichtigsten Fragen zur IKEA-Ansiedlung

Wir wollen hier einmal die wichtigsten Fragen rund um die IKEA-Ansiedelung in Bremerhaven und die Position des NABU dazu klären. Vielleicht liest ja auch der eine oder andere Politiker diese Zeilen, BEVOR demnächst darüber abgestimmt wird...

Das Blaukehlchen brütet auf der Fläche, auf der IKEA gebaut werden soll (Foto: NABU/Olaf Rambow)

Das Blaukehlchen brütet auf der Fläche, auf der IKEA gebaut werden soll (Foto: NABU/Olaf Rambow)

WIE WERTVOLL IST DIE ROHRNIEDERUNG?

Die Rohrniederung ist seit 2006 ein Landschaftsschutzgebiet mit 137 Hektar Größe. Der "Wert" liegt zunächst im Auge des Betrachters. Für Anwohner und Vogelfreunde ist die Fläche wertvoller als für Nord-Bremerhavener. Aber es gibt auch objektive Maßstäbe: Nach einem Gutachten der KÜFOG von 2012 sind die Kompensationsflächen in der Rohrniederung ein "Vogelbrutgebiet nationaler Bedeutung". Und es gibt dort 12 Pflanzenarten der Roten Liste, davon drei geschützte Arten.


WIE WERTVOLL IST DIE IKEA-FLÄCHE DORT?

Direkt überbaut werden Brutplätze von 2 x Kiebitz, 1 x Feldschwirl, 2 x Teichrohrsänger, 1 x Schilfrohrsänger, 1 x Wiesenpieper, 1 x Blaukehlchen und anderen, weniger seltenen Arten. Auf der Fläche liegen Blänken (flache Wasserstellen), die in der Landschaft sehr selten geworden sind. Werden die Bruten zerstört, hat das Gebiet bestenfalls noch regionale oder landesweite Bedeutung.


WIE SEHR STÖRT EIN MÖBELHAUS DORT?

Von dem Gebäude, seinen Fahnen und der Beleuchtung, den Autos und Menschen geht für empfindliche Arten eine große Scheuchwirkung aus. Vögel wie die seltene Rohrweihe, die derzeit in 250 m Entfernung brütet, können vertrieben werden. Auch wenn jetzt schon viel Verkehr entlang der Rohrniederung fließt, kann das Möbelhaus der entscheidende Schritt zur vollkommenen Entwertung des Landschaftsschutzgebietes sein. Das Möbelhaus schneidet auch die bisherigen Ausgleichsmaßnahmen neben dem Hornbach-Markt vollständig von der Rohrniederung ab und entwertet auch diese.


WELCHER AUSGLEICH IST GEPLANT?

Entlang der Rohr sollen verschiedene kleine Maßnahmen den Fluss verbessern, Altarme und Kolke sollen angelegt, Brücken ein wenig zurückgenommen werden. Dazu soll eine rund 20,5 ha große Fläche auf der Luneplate nicht Gewerbegebiet werden. Um das Ganze vergleichbar zu machen und in Zahlen auszudrücken, werden die Flächen mit ihrem ökologischen Wert multipliziert und in "Flächenäquivalente" umgerechnet. Das bedeutet, dass die gut 7 ha IKEA-Fläche aufgrund ihres Wertes mit 3,3 malgenommen werden und 23,14 Flächenäquivalente (FÄ) Verlust ergeben. An der Rohr sind Maßnahmen geplant, die 11,24 FÄ als "plus" ergeben, dann bleiben rechnerisch noch 11,90 FÄ Verlust. Auf der Luneplate rechnet man den 20,5 ha echter Fläche ein Ausgleichspotential von 26,9 FÄ zu und kommt rechnerisch alles in allem auf 15 FÄ "Verbesserung" für die Natur.


WARUM REICHT DEM NABU DER ANGEBOTENE AUSGLEICH NICHT?

Wenn man einen Wiesenlebensraum mit Maßnahmen an einem Fließgewässer ausgleicht, passt das nur auf dem Papier, die Artenzusammensetzung ist aber eine ganz andere. Auf der Luneplate, wo man dann Wiesenlebensraum ausgleichen will, kommt es nicht dem Eingriffsraum Rohrniederung zugute. Außerdem dürfte die "großzügig" angebotene Fläche auf der Luneplate ohnehin nicht bebaut werden - sie liegt auf den Rastplätzen der EU-geschützten Nonnengänse. Solche Taschenspielertricks zeigen, wie ernst es der Stadt Bremerhaven mit einem echten Naturausgleich ist.


WEM GEHÖRT DIE ROHRNIEDERUNG DERZEIT?

Hauptbesitzer ist die "Bundesanstalt für Immobilienaufgaben", kurz BImA, ihr gehören aus dem Verfahren zum Neubau der B71 gut 80 ha, auf denen sie seit Jahren durch Planfeststellungsbeschluss verpflichtet ist, Ausgleich zu managen. Dies schafft die Bundesbehörde jedoch nur ungenügend - wozu auch? Die Stadt Bremerhaven lässt sie damit ja auch gewähren und macht schlicht nicht genügend Druck. Ein weiterer Besitzer ist die Stadt Bremerhaven selbst mit rund 30 ha, der Rest der insgesamt 137 ha gehört verschiedenen Privatbesitzern.


WARUM WILL DER NABU, DASS DIE FLÄCHEN GEKAUFT WERDEN?

Die Umweltverbände sollen der Bebauung zustimmen, so der Wunsch von IKEA. Von Anfang an hat der NABU die Sicherung der Restniederung als Bedingung für eine Zustimmung gefordert. Auch die derzeitige IKEA-Fläche gehört derzeit noch der BImA und liegt im Landschaftsschutzgebiet. Hat es sie geschützt? Nein! Selbst eine Naturschutzgebiets-Ausweisung ist eine Mogelpackung. Zwar ist das eine der höchsten festlegbaren Schutzkategorien. Durch die Bebauung würde der ökologische Wert jedoch derart gesenkt, dass die NSG-Verordnung "mangels Klasse" jederzeit wieder kassiert werden könnte und der NABU auch vor Gericht kaum Chancen hätte.


Auch eine Festlegung im Grundbuch ist ebenso widerrufbar wie die Beschlüsse von Magistrat und Senat. Diese Maßnahmen würden eventuell den Preis für eine Bebauung hochtreiben, eine wirkliche, endgültige und ewiggültige Sicherung der Rohrniederung kann man darüber nicht erreichen.


Wer weiß schon, wie in zehn oder zwanzig Jahren die Gesetze aussehen? Oder wie groß der Nutzungsdruck neben IKEA werden wird? Die einzige Möglichkeit einer (fast) unumstößlichen Sicherung der Flächen ist nach deutschem Recht allein das Eigentum. Wir wollen, dass eine nur dem Naturschutz verpflichtete Stelle, wie z. B. eine unabhängige private Stiftung, ohne jeden Politikereinfluss die Flächen ins Eigentum bekommt. Alle anderen Lösungen erscheinen naiv, denn wie sehr man den Politikern trauen darf, zeigt ganz aktuell sogar die ehemalige Umweltpartei "Die Grünen" in Bremerhaven: Entgegen der Ankündigung, IKEA in der Rohrniederung nur mit den Umweltverbänden zu beschließen, wollen die Grünen nun gegen den NABU und für IKEA stimmen. Weitere Beispiele für langfristig nicht gehaltene Versprechen finden sich beim Containerterminal IV, der auf den Ausgleichsflächen von CT IIIa steht, beim Bremer Wesertunnel und vielen Prachtbauten mehr.


WILL DER NABU DIE FLÄCHEN SELBST HABEN?

Ziel ist die unabhängige Sicherung der Flächen bei gleichzeitig besserem Management als bisher. Dies bedeutet auch eine ganze Masse derzeit nicht gegenfinanzierter Arbeit, denn die Verpachtung der Flächen mit all ihren Einschränkungen (Mahdtermine, Wasserstände, Gülle-, Pestizid- und Kunstdüngerfreiheit) wirft bestenfalls eine schwarze Null ab.


Mangels einer besseren Lösung haben wir die "Stiftung Nationales Naturerbe" des NABU-Bundesverbandes vorgeschlagen. Der NABU Bremen traut sich auch das (bessere) Management der Flächen vor Ort zu. Dies ist aber weder Voraussetzung noch eine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit. Im Interesse der Natur würden wir Verantwortung übernehmen, wären aber auch zufrieden, wenn wir kein so großes Projekt bei so geringer Gegenleistung wuppen müssten.



22.08.2013

Grüner Wortbruch bestürzt und bestätigt den NABU

Mit „bitterer Bestürzung“ reagiert der NABU auf den Entschluss der Bremerhavener Grünen, einer IKEA-Ansiedelung im Schutzgebiet auch gegen den Willen des NABU zuzustimmen.

Sumpfdotterblume in der Rohrniederung (Foto: Heike Wierhake-Kattner)

Sumpfdotterblume in der Rohrniederung (Foto: Heike Wierhake-Kattner)

Damit werde der Ausverkauf der Rohrniederung eingeläutet. Durch den IKEA-Bau verliert die Fläche derart an ökologischem Wert, dass die versprochene Naturschutzgebiets-Ausweisung fachlich nicht haltbar wird. Schon jetzt werde die Rohrniederung nicht richtig gemanagt.

„Wir sehen im Wortbruch der Grünen eine deutliche Bestätigung unserer Position“, erklärt NABU-Geschäftsführer Sönke Hofmann, „die Bremerhavener Politik ist nicht vertrauenswürdig, deshalb bestehen wir auf einer Übertragung des Restschutzgebietes auf einen privaten, unabhängigen Eigentümer.“ Nur so sei eine langfristige Sicherung der Rohrniederung möglich. „Politische Lippenbekenntnisse reichen nicht.“

Besonders bitter sei, dass die Grünen nicht einmal das Gespräch mit dem NABU gesucht hätten und vor einem angesetzten Moderationstermin am Freitag nächster Woche schon eine Entscheidung getroffen haben. „Wir haben die ganze Zeit offen Kritik an dem Ausgleichskonzept geübt und fordern seit über einem Jahr den Kauf der Flächen. Die Grünen haben sich dafür nicht interessiert und die Stadt hat schlicht geschlafen und sich nicht engagiert“, so der Naturschützer.

Die Kategorie „Brutraum nationaler Bedeutung“ kommt durch Kiebitzbruten auf exakt der Fläche, auf der IKEA bauen will, zustande. „Mit einer Bebauung wird die Rohrniederung so entwertet, dass die versprochene Ausweisung als Naturschutzgebiet auf Jahre fachlich nicht haltbar ist“, betont Hofmann. So greife auch der gesetzlich mögliche Schutz nicht. Der NABU fordert, zunächst endlich die Ausgleichsmaßnahmen aus dem Bau der B71n in der Rohrniederung umzusetzen.

Die runde Million, die IKEA als zusätzlichen Ausgleich angeboten hat, habe zu einer „Goldgräberstimmung“ in Verwaltung und bei anderen Verbänden geführt. „Die Stadt hat es nicht geschafft, mit diesem Geld die wirtschaftlich wertlosen Flächen vollständig zu kaufen“, kritisiert der NABU. Es sei blauäugig zu glauben, die Rohrniederung wäre mit einer Stiftung gesichert. „Die IKEA-Ansiedelung ist der Anfang vom scheibchenweisen Ende einer tollen Niederungslandschaft“, bedauert Sönke Hofmann.

Weshalb andere Umweltgruppen dem Ausverkauf der Natur so leicht zustimmen sei nicht erklärlich. „Der NABU ist nicht käuflich.“



09.07.2013

NABU: Schluss mit der ständigen Defensive

Der NABU lehnt die Ansiedelung eines IKEA-Marktes im Bremerhavener Landschaftsschutzgebiet Rohrniederung unter den derzeitigen Bedingungen ab. "Wir schlagen die Tür nicht zu, fordern aber ein Ende der ständigen Defensive des Naturschutzes in der Fläche", so der NABU Landesverband. Die Naturschützer fordern das Eigentum an dem restlichen Schutzgebiet als Vorausbedingung für Verhandlungen.

Krebsscheren-Vorkommen in der Rohrniederung (Foto: Heike Wierhake-Kattner)

Krebsscheren-Vorkommen in der Rohrniederung (Foto: Heike Wierhake-Kattner)

Die Rohrniederung ist die letzte große Offenlandschaft außerhalb der Luneplate in Bremerhaven. Mit Bruten von Kiebitz und Rohrweihe ist sie ein Brutgebiet Nationaler Bedeutung. "Schon seit vergangenen Sommer haben wir unsere Zustimmung daran geknüpft, dass neben einem vernünftigen Ausgleich die Restrohrniederung für alle Zeiten garantiert nicht mehr bebaut werden kann", erklärt NABU-Geschäftsführer Sönke Hofmann, "und das geht nach deutschem Recht nur übers Eigentum."

Zusagen und Garantien aus der Politik haben eine immer kürzere Halbwertszeit, so der NABU, deshalb müsse der Naturschutz andere Wege gehen. "Wenn wir der IKEA-Ansiedelung zustimmen, ohne die Restflächen zu sichern, kann uns keiner garantieren, dass in ein, zwei Jahrzehnten nicht die nächste 'ganz, ganz große Ausnahme' kommt", so Hofmann.

Immerhin habe der NABU den gerichtlichen Vergleich auf der Fläche im Rahmen des B71 Neubaus miterkämpft und konnte auch darüber nicht die IKEA-Planungen verhindern. "So lange der Naturschutz von Politik und Planern als stille Flächenreserve betrachtet wird, werden die Tiere und Pflanzen verlieren", betont der NABU.

Die Forderung des NABU ist nicht neu, jedoch wurde sie längere Zeit von der Stadt Bremerhaven nicht für voll genommen. "Wir haben Zeit verloren, aber sowohl die Grünen in Bremerhaven als auch IKEA haben mehrfach betont, dass sie die Zustimmung der Umweltverbände wollen. Das hätte die Stadt ernster nehmen müssen", schließt Sönke Hofmann.



14.03.2012

Der NABU kritisiert die Ansiedlung von IKEA im Landschaftsschutzgebiet

Der geplante Standort für die Ansiedlung des IKEA-Markts in Bremerhaven sorgt beim Naturschutzbund NABU Bremerhaven-Wesermünde für Entsetzen. Der Grund: Bei diesem Gebiet handelt es sich um eine Fläche, die fast auf den Tag genau vor sechs Jahren vom Senator für Bau, Umwelt und Verkehr in Bremen, also der obersten Behörde im Land Bremen, als Landschaftsschutzgebiet „Rohrniederung“ ausgewiesen worden ist. Es ist heute eine hochwertige Naturfläche, die Anfang 2000 als Kompensationsfläche für den Bau der B71n mit Steuergeldern hergerichtet wurde. „Diese Fläche muss in ihrer ganzen Größe unbedingt erhalten bleiben“, fordert die NABU-Ortsgruppen-Vorsitzende Heike Wierhake-Kattner. Und weiter: „Wir haben durchaus nichts dagegen, wenn Ikea sich in Bremerhaven ansiedeln möchte, aber doch bitte nicht in einem der wenigen Schutzgebiete von Bremerhaven.“

Die Naturschützerin weist außerdem darauf hin, dass die entsprechende Fläche gar nicht mehr zum Gewerbegebiet Bohmsiel gehört. „Vielleicht haben der Oberbürgermeister und die BIS vor lauter Euphorie vergessen, Ikea bei den Verhandlungen darauf hinzuweisen. Die Politik habe vor sechs Jahren beschlossen, dass diese Fläche für die Natur erhalten bleibt und habe das mit der Unterschutzstellung auch eindeutig erklärt.“ Zudem gib es in der Seestadt genügend Gewerbeflächen, die sich für den Bau einer Ikea-Filiale eignen würden. So zum Beispiel das Gewerbegebiet Poristrraße, das ebenfalls direkt an der Autobahnanschlussstelle Geestemünde liegt. „Hier könnte Ikea sofort bauen“, schlägt Heike Wierhake-Kattner vor.

Die Vorsitzende hofft darauf, dass sich das Unternehmen an die eigenen Wertvorstellungen erinnert. So verspricht Ikea z.B. in seinem aktuellen Katalog: „Wir wollen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit unserer Erde, den Ressourcen und Menschen beitragen.“ (Zitat aus dem Ikea-Katalog 2012, S. 381). Äußerst verwundert zeigt sich der NABU zudem über die Aussage von BIS-Chef Nils Schnorrenberger, der angeblich bereits mit den Naturschutzverbänden über entsprechende Ausgleichsmaßnahmen gesprochen haben will: „Das ist mit uns bis jetzt noch nicht geschehen, obwohl der NABU bundesweit zu den größten Naturschutzverbänden zählt.“